
Caro : Mein Jahr mit Kira
Nie werde ich diesen 21. September letzten Jahres vergessen! Im Gnadenhof war das große Patentreffen, dazu erwarteten wir gegen Mittag eine Tierfreundin, die uns Chiarana, eine junge, schwer verletzte und traumatisierte Katze vorbeibrachte. Eine Katzenträumerin hatte von dem Leid der Katze gelesen und uns auf ihr Schicksal aufmerksam gemacht!
Kurze Rückblende: Chiarana wurde in Rumänien geboren und im Alter von wenigen Monaten von einem Idioten mit einem Holzprügel fast totgeschlagen. Wobei es bei dem „fast“ nur blieb, weil eine Frau eingriff und das Kätzchen vor dem wie von Sinnen prügelnden Tierquäler rettete. Warum Chiarana totgeprügelt werden sollte,ist nicht bekannt. Eventuell litt sie damals bereits unter einer Behinderung durch eine später festgestellte Ataxie und der brutale Schläger wollte so das das Problem Chiarana auf seine Art lösen!
Tierschützer der Organisation „Einfach Tierschutz“, die sich mit dem offenbar unlösbaren Tierleid befassen, brachten Chiarana nach Deutschland und versuchten sie zu stabilisieren. Was aber kaum möglich war, zu schwer waren die Verletzungen und es war klar, dass Chiarana, wenn sie überleben sollte, ein langer und beschwerlicher Weg bevorstand.
Ja und da stand ich nun mit dem kleinen Häufchen Elend. Schon beim Kennenlernen war mir klar, dass Chiarana nicht einfach in den Gnadenhof einzugliedern war, sondern zumindest am Anfang eine Dauerbetreuung benötigen würde. Also ging es am Abend zu mir nach Hause, wo sie von meinen eigenen Katzen Canneloni, ???, und ??? zuerst mal ausgiebig beschnuppert wurde. Der Einfachheit halber taufte ich sie dann auf den Namen Kira, das klang etwas einfacher. Gottseidank bin ich ja Zuhause auch für solche Notfälle vorbereitet, denn es kommt immer wieder vor, dass ich Katzen, die gerade etwas kritisch sind, zu mir nehme und pflege.
Nachdem Kira ihre erste Nacht bei mir recht ruhig auf einer Wärmflasche verbracht hatte, ging es dann zur Tierärztin für einen Gesundheitscheck. Schnell war klar, Kira konnte weder stehen noch laufen. Die brutalen Hiebe mit dem dicken Holzprügel hatten offenbar zu diversen gesundheitlichen Baustellen geführt, dazu kam eben die schwere Ataxie, eine Koordinationsstörung, die zusätzliche Probleme verursachte. Aber schon da war zu sehen, dass Kira über einen außerordentlichen Lebenswillen verfügte, ich hatte den Eindruck, dass sie bereit war, gemeinsam mit mir den sicher schweren Weg zu Verbesserung ihrer Lebensumstände zu gehen.
Schon bald war auch klar, dass die Halswirbel eine Problemstelle waren, auch die Hinterbeine wollten nicht immer so, wie Kira eigentlich wollte. Trotzdem stellten sich leichte Fortschritte ein, Kira versuchte immer öfters zu laufen und wurde nicht müde, mit mir zu spielen. Sie liebt es zu schmusen und nachts in meinem Bett zu schlafen. Man merkt, hier fühlt sie sich sicher und ist unendlich dankbar, dass ich mich um sie kümmere. Während ich untertags im Gnadenhof arbeite, schläft sie viel oder spielt mit meinen anderen Katzen. Manchmal darf sie auch mit in den KatzenTRaum und verbringt hier den Tag in ihrem Bettchen in meinem Büro. Um ihre durch die Verhärtungen noch immer bestanden Schmerzen zu lindern, bekam Kira Spritzen, dazu wurde ein Osteopath hinzugezogen.
So verbrachten Kira, meine anderen Miezen und ich relativ entspannte Feiertage und wir blickten hoffnungsvoll in das Neue Jahr. Kira war stabil, hatte lediglich einen kleinen Schnupfen der mit einem Antibiotikum behandelt wurde. Doch dann kam der 13. Januar, der Tag, der unser Leben plötzlich veränderte! Kira war plötzlich total schwach, verlor rapide Temperatur, da ich in diesem akuten Zustand um ihr Leben fürchtete, fuhr ich mit ihr am Spätnachmittag in die Tierklinik. Dort wurde sie in eine Sauerstoffbox gesteckt und wurde stationär aufgenommen. Am nächsten Tag ging es ihr wieder etwas besser, doch erst drei Tage später war sie so stabil, dass ich sie wieder nachhause holen durfte. Doch wenige Tage später ging die Geschichte von vorne los, in der Klinik wollte man nun ein MRT machen, da ich aber Angst hatte dass sie die Narkose nicht überstehen würde, hab ich es abgelehnt.
Ende Januar war mir dann klar, dass es so nicht weitergehen kann. Kira war extrem schwach, schlief sehr viel, jetzt kam der Verdacht auf eine eventuelle Hirnhautentzündung auf. Mitte Februar, es war wieder der 13., ging es Kira dann plötzlich sehr schlecht, ich fürchtete, sie stirbt! Also wieder ab in die Klinik und jetzt war klar, dass MRT MUSS gemacht werden, denn so konnte es einfach nicht weitergehen. Nach einer schlaflosen Nacht wartete ich dann am nächsten Tag, der behandelnde Arzt wollte sich melden. Am Nachmittag erlebte ich dann eine Gefühs-Achterbahnfahrt! Zuerst meldet sich der Neurologe mit der Diagnose einer Gehirnhautentzündung mit freier Flüssigkeit die bis ins Rückenmark geht, wohl ausgelöst durch eine FIP -Erkrankung im Gehirn. Ich war echt erleichtert, denn dafür gibt es entsprechende Medikamente. Doch am Ende des Gesprächs dann der wieder niederschmetternde Hammer : Kira ist von der Narkose noch nicht aufgewacht, sie atmet noch nicht selbstständig. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie in den nächsten zwei Stunden wieder alleine atmen kann, ist eher gering, das würde dann Kiras sicheren Tod bedeuten.
Ihr könnt euch bestimmt vorstellen wie mir nun plötzlich das Herz in die Hose rutschte. Die nächsten 120 Minuten werde ich mein Leben nicht vergessen! Dann die Erlösung, Kira atmet wieder selbstständig und erholt sich bereits von der Narkose. Die nächsten Tage besuche ich Kira täglich, sie wirkt jetzt frischer und hat auch guten Appetit! Eine knappe Woche nach ihrem Zusammenbruch hole ich mein Mädchen nach Hause, ich beobachte sie aber immer noch voller Angst vor einem Rückschlag. Doch Kira hat jetzt eine sehr gute Phase, auch wenn sie durch die Ataxie etwas wackelig ist, marschiert sie voller Neugier durch unsere Wohnung. Ich besorge ihr einen kleinen Laufstall, nicht dass sie in meiner Abwesenheit Blödsinn anstellt.
Ende März ist es dann soweit, Kira erobert den Garten, stakst durch das Gras und schimpft, wenn ihr ein Grashalm in der Nase kitzelt. Die nächsten Wochen steigt meine Hoffnung das wir nun das Gröbste überstanden haben, doch Ende Juni war Kira plötzlich wieder schlapp und wirkte etwas „schief“. Eine Woche später kamen plötzlich Atemprobleme. Ein Bluttest ergibt aber hervorragende Werte, trotzdem habe ich Kira jetzt immer bei mir, da ich sie genau beobachten möchte. Aber Kira ist wirklich ein Stehaufkätzchen, sie läuft wieder und wirkt stabil.
Ende Juni dann wieder Probleme, ich fahre mit ihr in die Klinik, dort wird sie auf Epilepsie behandelt. Vor zwei Monaten hat sich Kira dann ein Ohrenproblem eingefangen, sie bekommt Infusionen, es hört einfach nicht auf! Manchmal bin ich echt verzweifelt, doch ausgerechnet Kira baut mich immer wieder auf, in ihren Augen sieht man den Lebenswillen, also geht’s weiter. Ende August hat sie sich zurück gekämpft. Nachdem sie in den letzten Wochen meist nur gelegen ist, ich hab sie immer wieder umgedreht damit sie sich nicht auch noch wundliegt, sitzt sie jetzt wieder mit großen Augen auf ihrer Decke, spielt und putzt sich. Ich hab jetzt eine Physiotherapeutin organisiert, ihre Hinterbeine sind einfach zu schwach, es fehlt an Muskulatur.
Vor gut zwei Wochen werde ich nachts wach, Kira erbricht sich. Das gefährliche dabei ist, dass Teile des Erbrochenen in die Nase gelangen, ersticken droht! Also ab in die Klinik, hier vermutet man eine Magenschleimhautentzündung. Aber irgendwie hab ich ein schlechtes Gefühl, ich möchte, dass ein Ultraschall gemacht wird. Nach längeren Diskussionen wird Kira dann geschallt, und es stellt sich heraus, dass es eine Magenentleerungsstörung ist, was es doch nicht alles gibt. Und Kira muss ja auch alles haben! Nach einer kurzen Behandlung hat sich dieses Problem wieder gelegt, Kira hat jetzt auch wieder guten Appetit.
Nachdem jetzt aber die Blutwerte Sorgen machen, fasse ich einen Entschluss! Keine Infusionen mehr, Medikamente reduzieren, Kira bekommt dafür eine Bluttransfusion, nun kommt es darauf an, ob die Werte jetzt wieder auf einem normalen Niveau bleiben. Übrigens, Blutspender war Kiras Freund, mein dicker Kater Cannelloni!
Inzwischen wird mir auch immer klarer, was Kiras Problem ist! Bei ihr potenziert sich jede „Kleinigkeit“ zu einer lebensgefählichen Krise. So bringt sie selbst ein eigentlich gut behandelbarer Katzenschnupfen an ihre gesundheitlichen Grenzen.
Und jetzt werdet ihr vielleicht denken, warum schläfert man Kira eigentlich nicht einfach ein? Die Frage mag auf den ersten Blick durchaus berechtigt zu sein und ich bin mir meiner Verantwortung für Kira voll bewusst! Ich weiß auch, der Tag wird kommen, wo es Abschied nehmen heißt, schließlich stirbt jedes Lebewesen, irgendwann. Doch wer Kira so nahe kommt wie ich, der weiß auch, welch große Kämpferin sie ist. Ihre Augen gieren nach Leben, kann man sie trotzdem einfach so einschläfern ?
Kira musste von einem Menschen soviel Leid und Schmerz erfahren, ich möchte auch nur einen kleinen Teil davon wieder gutmachen. Am 21. September hatten Kira und ich nun unser „Einjähriges“ ! Zur Feier gab’s Hühnerherzen, natürlich nur für Kira. Und so feiern wir nun jeden Tag, denn wir wissen nicht, was morgen passiert.
Aber geht das nicht Allen so ?