Wunsch ans Christkind
„Liebes Christkind, ich wünsche mir zu Weihnachten, dass „Morle“ wieder nach Hause kommt. Ich vermisse ihn so sehr. Dafür möchte ich gerne auf andere Geschenke verzichten.“
Der postkartengroße Zettel war mit dem Namen „Maria“ unterschrieben. Und hing mit vier Reißzwecken an einem der Fensterläden zur Wohnstube. Morle war der kleine, verschmuste Kater von Marie, der an Heilig Abend des letzten Jahres plötzlich verschwand und nicht mehr aufgetaucht war.
Tagelange Suchaktionen, Befragungen bei Nachbarn sowie zahlreiche Steckbriefe mit Beschreibung und sogar Foto, überall in der Gegend verteilt, blieben ergebnislos. Marie weinte bitterlich und konnte den Verlust ihres so lieb gewonnenen Gefährten kaum überwinden. Jeden Morgen nach dem Aufstehen und auch kurz bevor sie zu Bett ging öffnete sie die Haustüre und rief mehrfach laut nach Morle. Morle aber blieb verschwunden.
Nach einigen Wochen hatten ihr die Eltern den Vorschlag gemacht, ein Kätzchen aus dem nahegelegenen Tierheim zu adoptieren. So viele arme, bedauernswerte Kreaturen hofften dort auf ein liebevolles Zuhause bei einer netten Familie. Marie taten die unglücklichen Geschöpfe im Tierheim auch leid, aber sie hätte es als Verrat an Morle angesehen, wenn sie sich nach so kurzer Zeit schon nach einem Ersatz für ihren Liebling umgesehen hätte. Zudem war sie voller Hoffnung, dass ihr schwarzer Stubentiger mit den schneeweißen Stiefelchen an den Beinen eines Tages wiederkommen würde.
So gingen die Tage dahin, Jahreszeiten gaben sich die Hand und am aufgehängten Adventskalender war das letzte große Türchen geöffnet worden. Es war Heilig Abend. Wie bestellt hatte es zu schneien begonnen. Frau Holle hatte die Betten tüchtig geschüttelt. Lautlos fielen die großen, weichen Flocken vom Himmel und verwandelten die Umgebung innerhalb weniger Minuten in eine Märchenlandschaft.
Marie saß beim Abendbrot still und in sich gekehrt mit ihren Eltern am Tisch. Bald würde in der Wohnstube eine helle Glocke als Zeichen, dass das Christkind gekommen ist, ertönen. Die Mutter betrachtete das sorgenvolle Gesicht von Marie und wollte wissen, ob sie sich denn nicht auf das bevorstehende Fest freue? Marie brachte nur ein zögerliches „Doch - schon - aber ….“ hervor. Zweifel darüber, ob ihr das Christkind den einzigen Herzenswunsch erfüllen würde, ließen sie nicht weitersprechen. Noch während die Mutter versuchte ihre Tochter zu trösten und in die Arme nahm, hörten sie das einladende Klingen einer Glocke im Wohnzimmer. Es war soweit.
Anders als die Jahre zuvor stürmte Marie nicht wie besessen in die gute Stube, sondern musste eher von den Eltern zaghaft hineingeschoben werden. Gleich hinter der Tür blieb sie stehen und ließ ihre Blicke rasch quer durch das Zimmer huschen. Von dem bunt geschmückten Baum mit den brennenden Kerzen nahm sie nur kurz Notiz. Ihre Augen wanderten verzweifelt weiter, konnten aber das Erhoffte und Ersehnte nicht ausfindig machen. Das Christkind hatte ihren Morle nicht zurückgebracht.
Viele Geschenke, bei denen sie unter normalen Umständen vor Begeisterung Purzelbäume geschlagen hätte, türmten sich auf den Gabentisch. In diesen Zwiespalt von Enttäuschung und Freude verlief der Abend etwas ruhiger und bedrückter als geplant. Um das Kind abzulenken spielten die Eltern mit Marie das altbewährte „Mensch ärgere dich nicht“. Marie hatte gerade gewürfelt als ein Schlag gegen eines Erkerfenster alle aufhorchen ließ. Hatte sich jemand Heiligen Abend einen Spaß erlaubt und einen Schneeball an das Fenster geworfen? Zunächst war nichts zu erkennen, dann gab es einen erneuten Laut. „Da wollte wohl eine Katze auf das Fensterbrett springen und konnte sich nicht auf dem schmalen Sims festhalten“, spekulierte der Vater.
Bei dem Wort „Katze“ sprang Marie von ihrem Platz auf und rannte zur Haustüre. Sie hatte diese kaum einen Spalt weit geöffnet, als ein mit Schneeflocken übersäter kleiner schwarzer Kater um die Ecke bog und in den Flur gerannt kam. Es war Morle. So plötzlich wie er vor genau einem Jahr verschwunden war, kehrte er an Heilig Abend wieder heim.
„Oh du fröhliche, oh du selige, ..“ klang es leise aus dem warmen Wohnzimmer.
Diese wunderschöne Weihnachtsgeschichte haben wir dem Buch „Weihnachtln duads umadum“ des bayerischen Heimatdichters Helmut Hingrainer entnommen. Er hat in seinem teilweise in bayerischer Mundart geschriebenen Werk Geschichten und Gedichte niedergeschrieben die zu Herzen gehen, aber auch einen interessanten Blick auf das Leben in seiner oberbayerischen Heimat werfen. Wie wir finden der ideale Lesestoff für lange Winterabende in der warmen Stube.
Das Buch „Weihnachtln duads umadum“ erschien im Eigenverlag und kann per Email beim Verfasser bestellt werden. Hier die entsprechende Emailadresse: helmut.hingrainer@t-online.de . Außerdem ist es bis Weihnachten in unserem Gnadenhof erhältlich.
Der Preis des Buches liegt bei 20 €, wobei Helmut Hingrainer von jedem verkauften Exemplar die Hälfte, also 10 € an den KatzenTRaum spendet. Wir danken Helmut Hingrainer für seine jahrelange Unterstützung unseres Gnadenhofs.